Kleiner Seifen-Crashkurs: Überfettung vs. Laugenunterschuss



Ich finde, es ist allerhöchste Zeit, einmal die Begrifflichkeiten "Überfettung" und "Laugenunterschuss" etwas näher zu beleuchten. 😎

Die Definition dieser beiden Begriffe ist in letzter Zeit immer öfter Thema, aber leider auch häufig Grund zur Verwirrung in den Seifenforen oder auch Seifengruppen bei Facebook.
Die Wahl der richtigen Formulierung zweier Wörter, die (zumindest im CP-Verfahren) quasi das Selbe meinen, ist im Wandel und deshalb will ich das Thema nicht unerwähnt lassen.

Die "Überfettung" - was ist das eigentlich genau?

Jeder, der sich mit dem Thema Seifensieden beschäftigt, lernt gleich zu Beginn, dass die Überfettung der Anteil der nicht verseiften Fettmoleküle in der fertigen Seife ist.
Dieser unverseifte Fettanteil ist in großem Maße verantwortlich für den Pflege-Grad und die Verträglichkeit der Seife.
Zu niedrig überfettete Seifen sind sehr scharf zur Haut und versehentlich unterfettete Seifen können sogar Verätzungen verursachen, deshalb ist die Überfettung ein wichtiger Faktor, der mit Sorgfalt gewählt werden sollte und bei der Berechnung der benötigten NaOH-Menge dringend berücksichtigt werden muss. 

In älteren Seifenrezepten ist oft die Rede davon, ein besonders pflegendes sogenanntes "Überfettungsöl" bis zum Schluss aufzubewahren und erst später zum Seifenleim zu geben, um in der fertigen Seife von den tollen Eigenschaften eben genau dieses Öls profitieren zu können.
Man weiß mittlerweile, dass diese etwas veraltete Vorgehensweise keinen Sinn ergibt, da der Verseifungsprozess ungefähr 24 Stunden benötigt und alle Fette und Öle in der Seife gleichermaßen und nach dem Zufallsprinzip davon betroffen sind. 
Es ist demnach im CP-Verfahren nicht möglich, die Seife gezielt mit einem Öl nach Wunsch zu überfetten.
Die wörtliche Bedeutung der Bezeichnung "Überfettung" greift hier also nicht.

Rätselhafte Rechenwege

Eine weitere "Unstimmigkeit" bezüglich des Begriffs der Überfettung fiel mir schon zu Beginn meiner Seifensiederzeit auf und zwar beim Berechnen der NaOH-Menge.
Ich wollte es ganz genau wissen und traute den diversen Seifenrechnern nicht über den Weg, also habe ich anfangs (sicherheitshalber zunächst unter "Aufsicht" meines Freundes, der mit Zahlen etwas besser umgehen kann als ich 😂) jedes Rezept von Hand ausgerechnet.


Hierbei fiel mir auf, dass die NaOH-Berechnung bzw. der Faktor der "Überfettung" eigentlich nicht direkt mit der Menge der Öle/Fette, sondern vielmehr mit der NaOH-Menge zu tun hat, die bewusst niedriger gewählt wird, um eben nicht alle Bestandteile der Fette und Öle zu verseifen.

Wir setzen also weniger NaOH ein als für eine Komplettverseifung aller Fette und Öle nötig wäre und das heißt im Umkehrschluss, dass beispielsweise 10% "Überfettung" nicht gleichbedeutend mit einer Zugabe von 10% mehr Fett/Öl sind, wie das Wort Überfettung vermuten ließe, sondern für eine Reduktion des NaOHs um 10% stehen.


Für eine Seife mit beispielsweise 10% Überfettung bräuchten wir demnach nur 90% der vollen NaOH-Menge.
Bei 12% Überfettung wären das dann entsprechend 88% der vollen NaOH-Menge.
(15% ÜF = 85% NaOH
 17% ÜF = 83% NaOH
usw.)

Als mir zum ersten Mal die Bezeichnung "Laugenunterschuss" begegnete, ergab diese sofort Sinn für mich, denn sie trifft den Umstand der NaOH-Reduktion meiner Meinung nach deutlich treffender und korrekter.

Seifenforen und Bücher

Umgangssprachlich ist der Begriff "Laugenunterschuss" noch nicht überall in der Seifensiederwelt angekommen.
In den allermeisten Seifenbüchern ist nach wie vor die Rede von Überfettung und auch die Seifenrechner arbeiten noch mit dieser Bezeichnung.
Ich selber hänge zugegebenermaßen auch noch ein bisschen daran fest, aus Gewohnheit und auch, um meine Blogbeiträge und Rezepte allgemein und vor allem für Anfänger, die diese Formulierung wohl als erstes lernen, verständlicher zu machen.

Petra Neumann räumt in ihrem neuen Buch "Seife sieden" gründlich mit den Verwirrungen um die unterschiedlichen Bezeichnungen auf und hat damit einige Seifensieder zum Überdenken der gewohnten Formulierung angeregt.
Das moderne Seifensieden entwickelt sich unter anderem durch den regen Austausch in der kleinen, aber emsigen Seifensiederwelt ständig weiter und manchmal gehört dazu eben auch die Klärung von unter Umständen überholten Begrifflichkeiten. 😉

Petra Neumann erklärt in ihrem Buch sehr fundiert, dass durch das willkürliche und "zufällige" Wirken des NaOHs während der Verseifung keine vollständigen Fettmoleküle, also keine Fette/Öle in ihrer ursprünglichen Form in der fertigen Seife erhalten bleiben und deshalb der Begriff "Überfettung" (in einer im CP-Verfahren gesiedeten Seife) schlichtweg falsch sei. 

Der Laugenunterschuss (LU), die bewusste Reduktion der NaOH-Menge also, ist laut ihrer Ausführungen als eine Art "Sicherheits-Polster" zu verstehen, das die natürlichen Schwankungen der Öle abpuffert und außerdem dafür sorgt, dass die Seife pflegender, milder und verträglicher ist.
Der Laugenunterschuss ist also im CP-Verfahren inhaltlich gleichbedeutend mit der Überfettung, wie wir sie kennen - es ist nur ein etwas passenderes Wort für den gleichen Sachverhalt.

Die "einzig wahre" Überfettung

Von einer "richtigen" Überfettung ist die Rede, wenn nach einer Heißverseifung spezielle Überfettungsöle gezielt in die bereits verseifte Masse eingerührt werden.
Diese bleiben nämlich mit all ihren pflegenden Eigenschaften tatsächlich weitestgehend in der fertigen Seife erhalten, weil der Verseifungsprozess zum Zeitpunkt der Hinzugabe nahezu abgeschlossen ist.
Also eine echte Überfettung im wahrsten Sinne des Wortes. 😊

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