Kleiner Seifen-Crashkurs: Seifenrezepte verstehen & ausrechnen
In den meisten Fällen werden Seifenrezepte in Prozent angegeben, wimmeln oftmals von kryptischen Abkürzungen und enthalten keine NaOH-Angabe.
Auf so manchen Seifen-Neuling kann das recht einschüchternd wirken, deshalb möchte ich Euch in diesem Beitrag ein wenig helfen, das scheinbare Chaos zu entwirren und etwas Licht ins Dunkel zu bringen. 😉
Ein Rezept von Hand ausrechnen zu können, ist ein klitzekleines bisschen wie die erste Feuerprobe auf dem Weg zum Seifensieder zu bestehen und in der Seifen-Community quasi eine Frage der Ehre 😊 - natürlich gibt es zwar tolle Seifenrechner, die das für uns erledigen können, meiner Meinung nach trägt es aber entscheidend zum grundsätzlichen Verständnis der Materie bei, wenn der händische Rechenweg verinnerlicht wurde und ich schwöre Euch, wenn ich als absolute (und damals schulbekannte) Mathe-Hasserin es geschafft habe, dann könnt Ihr das erst recht! 😎
Lasst uns also ein wenig rechnen (glaubt mir - mir fallen da so einige Personen in meinem Umfeld und aus der Schulzeit ein, die das jetzt sehr, sehr lustig finden würden! 😂🙈).
Den grundlegenden Aufbau eines Seifenrezeptes habe ich im dritten Kapitel meines kleinen Seifen-Crashkurses ja bereits ein wenig beschrieben.
Der erste Schritt zum besseren Verständnis eines typischen Rezeptes ist die Übersetzung der Abkürzungen und das Unterteilen des Rezeptes in Gesamtfettmenge, Lauge und optionale Zusätze wie zum Beispiel den Duft.
Die Gesamtfettmenge und andere Prozentzahlen
In folgender Grafik seht Ihr im oberen Bereich alle Öle und Fette, die die Seife enthält und die gemeinsam die sogenannte Gesamtfettmenge bilden.
Die Höhe der Gesamtfettmenge wird vom Sieder selber gewählt und das erklärt wiederum die Verwendung der Prozentzahlen - auf diese Art kann das Rezept schnell und einfach auf jede beliebige Gesamtfettmenge angepasst werden und das geübte Auge erkennt anhand der Prozente außerdem auf Anhieb, wie hoch der Reinigungs-, Schaum-, Pflege und auch Härtegrad der Seife ungefähr sein wird (über die Eigenschaften der Öle und Fette könnt Ihr hier mehr erfahren).
Alle Prozentangaben unterhalb der grünen Linie gehören nicht zur Gesamtfettmenge, beziehen sich aber darauf. Bei einer Gesamtfettmenge von z.B. 1000g bräuchtet Ihr in diesem Fall also 300g Wasser und 30g Duft.
Grundsätzlich gilt übrigens, dass Zusätze (wie z.B. Honig, Natriumlaktat etc.), die in Prozent angegeben werden, nicht Teil der Gesamtfettmenge sind, sondern sich mengenmäßig nur darauf beziehen.
Grundsätzlich gilt übrigens, dass Zusätze (wie z.B. Honig, Natriumlaktat etc.), die in Prozent angegeben werden, nicht Teil der Gesamtfettmenge sind, sondern sich mengenmäßig nur darauf beziehen.
Ausrechnen der benötigten Einsatzmengen aller Zutaten anhand der Gesamtfettmenge
Um das Ganze weiter zu verdeutlichen und konkrete Zahlen zu erhalten, wählen wir im nächsten Schritt die gewünschte Gesamtfettmenge und rechnen die entsprechenden Einsatzmengen der enthaltenen Zutaten aus.Ich habe mich in folgendem Rechenbeispiel für eine Gesamtfettmenge von 500g entschieden.
Stellt Euch einfach vor, die Gesamtfettmenge (100%) entspräche dem Wert "1".
Für z.B. 25% der Gesamtfettmenge braucht Ihr demnach also nur 0,25 von 1.
Mit dieser Herangehensweise könnt Ihr sehr schnell die Einsatzmengen berechnen, indem Ihr die Gesamtfettmenge mit dem jeweiligen "Teil von 1" multipliziert - also z.B. 500 x 0,25, um 25% von 500g zu ermitteln.
(Ich muss gestehen, dass ich hier "verbal-mathematisch" an meine Grenzen komme, hoffe aber, dass folgende Grafik die Erklärung ausreichend verdeutlicht. 😉🙈)
Berechnen der NaOH-Menge für eine Komplettverseifung aller im Rezept enthaltenen Öle und Fette
Nachdem wir die Einsatzmengen der jeweiligen Zutaten ausgerechnet haben, fehlt als letztes die benötigte NaOH-Menge und dieser nähern wir uns in zwei Schritten.Zunächst wird die NaOH-Menge bestimmt, die nötig wäre, um alle enthaltenen Öle und Fette komplett zu verseifen.
Hierfür brauchen wir die sogenannten Verseifungszahlen (VZ NaOH) der Öle und Fette (entsprechende Listen findet Ihr in vielen Seifenbüchern und auch im Internet).
Jedes Öl hat seine eigene Verseifungszahl und diese Verseifungszahl wird mit der jeweiligen Menge des Öls multipliziert. Zusammenaddiert erhaltet Ihr so die NaOH-Menge für eine Komplettverseifung.
Achtung! Bei diesem Rechenschritt wird die Überfettung der Seife noch nicht mitberücksichtigt, die Seife wäre also mit 0% überfettet und noch viel zu scharf für die Haut.
Anmerkung: Ich verwende in diesem Rechenbeispiel die Verseifungszahlen von Kupferzopf.
Da es sich bei den Ölen und Fetten um Naturprodukte handelt, die natürlichen Schwankungen unterlegen sind, können die in den Seifenrechnern und diversen Tabellen hinterlegten Verseifungszahlen leicht variieren, was zu einem minimal abweichenden Ergebnis beim Berechnen der NaOH-Menge führen kann.
Berechnen der benötigten NaOH-Menge unter Berücksichtigung der Überfettung
Bei der Überfettung handelt es sich um den prozentualen Anteil, um den die oben errechnete NaOH-Menge reduziert wird, um ganz bewusst nicht alle Fette und Öle in vollem Umfang zu verseifen.Dieser sogenannte Laugenunterschuss ist (neben der Auswahl der im Rezept enthaltenen Öle und Fette) in hohem Maße verantwortlich für die Verträglichkeit und den Pflegefaktor der Seife.
Ohne Überfettung wäre die Seife sehr aggressiv und scharf zur Haut, deshalb ist der nächste Rechenschritt unerlässlich.
Die Überfettung wird vom Sieder selbst gewählt und liegt in der Regel zwischen 6% und 15% (wobei ich persönlich 6% für sehr niedrig halte und höchstens für Haarseifen empfehlen würde 😉).
Ähnlich wie beim Errechnen der benötigten Einsatzmengen der Zutaten ausgehend von der Gesamtfettmenge (siehe oben) stellen wir uns vor, die volle NaOH-Menge (für 0% ÜF) entspräche dem Wert "1".
Für eine Überfettung bzw. eine Reduktion von 12% brauchen wir also nur 88% der vollen NaOH-Menge - das wären dann entsprechend 0,88 von 1.
Um die korrekte NaOH-Menge für 12% Überfettung zu erhalten, wird also die oben ermittelte, volle NaOH-Menge mit 0,88 multipliziert.
Fertig! 😊
Ich hoffe, Ihr konntet mir alle bis hierhin folgen, denn das war´s eigentlich auch schon.Ich persönlich runde die Nachkommastellen der ermittelten NaOH-Menge immer ab, um auf der sicheren Seite zu sein; trotzdem ist es wichtig, dass Ihr zum Abwiegen des NaOH eine sehr genaue Feinwaage benutzt, denn schon ein oder zwei Gramm Abweichung können einen großen Unterschied in der Überfettung ausmachen.
Auch wenn das Jonglieren mit den Zahlen dem ein oder anderen vielleicht sehr gruselig vorkommt (und ich verstehe das so gut! 😜), ist es gar nicht so schlimm, wie es auf den ersten Blick scheint, wenn man es einmal selber durchgerechnet hat. 😉
Probiert es doch mal an einem Übungsrezept aus und wenn alle Stricke reißen, gibt es immer noch den guten, alten Seifenrechner (ich empfehle gerne den von Kathrin 😉).
Wie der genau funktioniert, erklärt Kathrin hier sehr schön.
Ich denke, dass die meisten Seifensieder (mich eingeschlossen 😊) nicht jedes Rezept von Hand ausrechnen, sondern gerne die verschiedenen Seifenrechner im Netz nutzen, aber stellt Euch mal vor, Ihr habt einen akuten Suchtanfall und wollt unbedingt eine Seife sieden und dann fällt das Internet aus! 😰🙉 Ohgoddohgoddohgodd... dann ist es schon sehr praktisch, selber den Taschenrechner zücken und loslegen zu können. 😎
In diesem Sinne - Viel Spaß beim Rechnen! 😊
Anhang: Verseifungszahlen umrechnen
Da in vielen Quellen nur die KOH-Verseifungszahl für unsere Fette und Öle angegeben wird, müssen wir diese umrechnen, wenn wir die Verseifungszahl für NaOH erfahren wollen.Beispiel Olivenöl
VZ (Verseifungszahl) KOH: 189-191Der Wert besagt, dass wir 189-191 mg KOH brauchen, um ein Gramm Öl komplett zu verseifen.
Die Schwankung kommt durch die natürlichen Schwankungen der Öle/Fette (bedingt durch Herkunft, Ernte, Qualität etc.) zustande und es wird empfohlen, sich am unteren Wert oder zumindest nahe daran zu orientieren.
Um die VZ NaOH zu erhalten, teilen wir den KOH-Wert durch den Umrechnungsfaktor 1,40272 - wir rechnen also:
189 : 1,40272 = 134,73822...
Das errechnete Ergebnis ist die NaOH-Menge in Milligramm, die nötig wäre, um 1g Olivenöl komplett zu verseifen.
Da wir beim Sieden von Grammzahlen ausgehen, rechnen wir den Wert im nächsten Schritt auf Gramm um, indem wir ihn durch 1000 teilen:
134,73822 : 1000 = 0,1347... (aufgerundet 0,135)
...und erhalten so die Verseifungszahl NaOH für Olivenöl, sprich die NaOH-Menge in Gramm, die wir brauchen, um 1g Olivenöl vollständig zu verseifen.
Alternative
Alternativ kann der KOH-Wert mit dem Faktor 0,7129 multipliziert werden, um die NaOH-Verseifungszahl zu erhalten.Beispiel Babassuöl
VZ (Verseifungszahl) KOH: 245-256Auch hier wähle ich den unteren Wert und multipliziere diesen mit 0,7129:
245 x 0,7129 = 174,6605
...und auch bei dieser Rechnung muss ich das Ergebnis durch 1000 dividieren, um die NaOH-Menge in Gramm (= VZ NaOH) zu errechnen:
174,6605 : 1000 = 0,1746... (aufgerundet 0,175)